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Neue Anwendungshinweise des BMI zum Chancenaufenthaltsrecht

Nach bald 18 Monaten Chancenaufenthaltsrecht (CAR) sind, datiert auf den 24. April 2024, endlich neue Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums (BMI) zum Chancenaufenthaltsrecht erschienen. Die ursprünglichen Anwendungshinweise sind noch vor Inkrafttreten des Gesetzes, am 23. Dezember 2022 erschienen und wurden bislang einmal, im Februar 2023 ergänzt. Die aktuellen Änderungen wurden bereits seit längerem erwartet. Eine Vergleichsfassung liegt derzeit leider nicht vor. Die Fachstelle Bleiberecht (hfr) hat sich beide Dokumente vorgenommen und kennzeichnet die Änderungen der neuen Fassung. Alle Hervorhebungen durch Unterstreichungen stammen vom Verfasser.

Analyse der Änderungen

Kapitel 0

Im ersten Absatz wird der Hinweis auf die Intention des Gesetzgebers, langjährig Geduldeten eine Chance auf ein (langfristiges) Bleiberecht (im Anschluss an das CAR) zu gewähren, wiederholt, aber der Hinweis auf die Hinweispflichten der Ausländerbehörden gestrichen. Er folgt nun nach einem neuen Absatz, der auch auf die Eigenverantwortung der Inhaber:innen des CAR abstellt:

„Die Verantwortung für das Erreichen der Voraussetzungen der §§ 25a, 25b AufenthG liegt bei den betreffenden Personen selber. Es sollen jedoch Anreize gesetzt werden und eine Unterstützung dergestalt erfolgen, dass ein Bleiberecht spätestens im Anschluss an den 18-monatigen Aufenthalt nach Möglichkeit erreicht werden kann. Im Interesse der Betroffenen sowie zur perspektivischen Entlastung der Ausländerbehörden sollte alles dafür getan werden, einen Rückfall in die Duldung mit den damit verbundenen negativen Implikationen in Bezug auf die Integrationsperspektiven der Betroffenen und mögliche Belastungen der steuerfinanzierten Sozialsysteme sowie ggf. vermeidbaren bürokratischen Aufwand in den Ausländerbehörden nach Möglichkeit zu vermeiden.“

In einem weiteren neuen Absatz wird daraufhin spezifiziert, worin die Hilfestellungen der Ausländebehörde bestehen sollen. Inbesondere ist dabei Verweisberatung bzgl. künftiger Lebensunterhaltssicherung bzw. positiver Integrationsprognose sowie Sprach- und Integrationskurse gemeint. Hierauf wird später in den Anwendungshinweisen noch wiederholt Bezug genommen. Die Behörden sollen außerdem stets prüfen, ob die Voraussetzungen der §§ 25a und 25b AufenthG vorliegen und ggf. diese Titel erteilen.

Kapitel 1.4 – Voraussetzung Duldung

Hier wurde im letzten Absatz eine Ergänzung vorgenommen. Anstelle von

„Unterbrechungen des Aufenthalts aufgrund einer vorherigen Rückführung wie auch Zeiten des Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel oder Duldung werden hingegen nicht angerechnet.“

heißt es nun, ganz im Sinne der vorigen Abschnitte, wonach es insb. auf die Erteilungsvoraussetzungen einer Duldung ankommt, nicht auf das Vorliegen der tatsächlichen Duldungsbescheinigung:

„Unterbrechungen des Aufenthalts aufgrund einer vorherigen Rückführung wie auch Zeiten des Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder Aufenthaltsgestattung werden hingegen nicht angerechnet, wobei es auch hier nicht auf die Duldungsbescheinigung gemäß § 60a Absatz 4 AufenthG, sondern auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Duldung ankommt. Zeiten, in denen ein Duldungsanspruch bestand, sind anzurechnen. Dies gilt auch für Zeiten, in denen der Ausländer unverschuldet daran gehindert war, einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung rechtzeitig zu verlängern (z.B. wegen Krankheit).“

Kapitel 1.5 – Soll-Erteilung

Hier wurde im ersten Absatz eine Änderung vorgenommen. Darin heißt es, das Chancenaufenthaltsrecht solle nur in atypischen Fällen nicht erteilt werden, wenn der Übergang in ein langfristiges Bleiberecht „erkennbar“ nicht erreicht werden kann. Dies galt bereits zuvor. Neu ist der Einschub: „Diese [Ausnahmen von der Regelerteilung] sind zu begründen, (…)“. Damit dürften alle Antragsteller:innen einen Anspruch auf eine schriftliche Begründung im Falle einer Ablehnung haben.

Neu ist ebenfalls dieser Kommentar, im Anschluss an die „Beispiele“ für atypische Fälle:

„Eine Einschätzung, ob hinreichende mündliche deutsche Sprachkenntnisse erlangt oder die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts auch prognostisch erreicht werden können, kann zum Zeitpunkt der Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts in der Regel nicht belastbar erfolgen, so dass sich hieraus regelmäßig keine Atypik herleiten lässt.“

Mit diesen beiden Ergänzungen wird der ohnehin minimale Ermessensspielraum der Behörden noch einmal eingeschränkt und etwaiger Willkür Vorschub geleistet. Gerade der Hinweis, dass es auf die Sprachkenntnisse zum Zeitpunkt der Erteilung des Chancenaufenthaltsrechts nicht ankommt, ist dankbar.

Kapitel 1.6 – Bekenntnis zur FDGO

Die neuen Anwendungshinweise enthalten die Ausführungen aus den „Ergänzungen“ vom 14. Februar 2023 darüber, dass die Antragsteller:innen die Inhalte des Bekenntnisses verstanden haben müssen bzw. wenigstens dessen „Kerninhalte“ kennen müssen und dass dieses Bekenntnis schriftlich eingeholt werden muss und Antragsteller:innen einer „persönlichen Befragung“ zu unterziehen sind. Damit unterscheidet sich dieser Punkt nicht von den ergänzenden Anwendungshinweisen, sondern nimmt diese lediglich in die neue aktualisierte Fassung der allgemeinen Anwendungshinweise auf.

Es folgt neu ein Hinweis auf den Vordruck für das (schriftliche) Bekenntnis samt Informationsblatt in 19 Sprachen des BMI vom 23. Mai 2023. [Liegt uns derzeit nicht vor.]

Kapitel 1.7 – Straffreiheit

Dieser Abschnitt erhält im dritten Absatz eine wichtige Ergänzung: „Getilgte Strafen stellen kein Ausweisungsinteresse mehr dar.“

Darüber hinaus folgt ein weiterer neuer Absatz über die Kumulierung von Straftaten, worin festgestellt wird, dass noch nicht getilgte bzw. löschungsreife Straftaten tatsächlich zusammengezählt werden und daher einen Ausschlussgrund darstellen, sofern sie in der Summe 50 bzw. 90 (bei aufenthaltsrechtlichen Delikten) Tagessätze überschreiten, da hier regelmäßig von einem erheblichen „Integrationsdefizit“ ausgegangen werden müsse. Diese Regel über die Kumulierung wurde bereits im Hessischen Erlass zum Chancenaufenthaltsrecht vom 15. Februar 2023 festgestellt und stellt damit keine gesetzliche Neuerung in Hessen dar.

Kapitel 1.8 – Soll-Ausschlussgrund (Vorsätzliche Identitätstäuschung)

Hier sind einige Neuerungen enthalten, die aber wesentlich wiedergeben, was ohnehin Inhalt des Gesetzestextes ist. So heißt es in der Mitte des zweiten Abschnittes neu: „Die Täuschungshandlung muss durch den Ausländer selbst und vorsätzlich erfolgt sein.“ Eine wichtige Ergänzung stellt dagegen kurz darauf der folgende Satz dar:

„Gleichermaßen gilt, dass dem Ausländer unrichtige Angaben, die dieser als Minderjähriger gemacht hat, nur bei bewusster Bestätigung in Kenntnis der Unrichtigkeit als Volljähriger angerechnet werden können.“

Dies konterkariert nicht das vorausgehende Eingeständnis des BMI, dass es durchaus denkbar ist, dass Eltern im Namen ihrer Kinder falsche Angaben über deren Identität machen und diese im Unklaren über die richtigen Daten lassen. Ebenfalls konterkariert es nicht, dass die Behörden für eine Annahme von Falschaussagen die echten Daten nicht kennen müssen. Sie müssen lediglich sicher sein, dass die vorliegenden Daten falsch sind. Die beiden Sätze zusammen würden allerdings bedeuten müssen, dass Minderjährige vom Vorwurf der Identitätstäuschung freizusprechen wären, da nicht belegbar sein dürfte, wann volljährig gewordene ehemalige Minderjährige Kenntnis über die Richtigkeit bzw. Falschheit ihrer Daten haben und wann nicht.

Kapitel 1.9 – CAR und Familienmitglieder

Der Abschnitt bleibt gleichlautend, ergänzt zum Schluss aber einen Absatz, der rechtlich der Sache nichts hinzugibt:

„Jedem Familienmitglied im Sinne des Absatzes 2 bleibt es unbenommen, die Voraussetzungen ggf. in eigener Person zu erfüllen und eigenständig einen Antrag auf Erteilung einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu stellen.“

Kapitel 1.10 – Titelerteilung/Zweckwechsel

Gleich dem ersten Absatz, der regelt, wann ein Antrag auf das CAR zulässig ist, wurden am Schluss zwei Sätze hinzugefügt:

Wurde der Asylantrag gemäß § 30 Absatz 3 Nr. 2 AsylG abgelehnt, ist im Ermessen insbesondere die erhöhte Anforderung an die Täuschungshandlung nach § 104c Absatz 1 Satz 2 AufenthG zu beachten. Personen aus sicheren Herkunftsstaaten sind vom Chancen-Aufenthalt nicht ausgeschlossen.“

Das Chancenaufenthaltsrecht sieht in § 104c Abs. 3 S. 1 AufenthG vor, dass der Aufenthaltstitel trotz Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ (i.d.R. Titelerteilungssperre gem. § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG) im Ermessen erteilt werden kann. Hierauf bezieht sich der erste neue Satz, der den Rahmen der Ermessensausübung absteckt. Leider wird hier nicht berücksichtigt, dass dieser Absatz des Asylgesetzes seit dem „Rückführungsverbesserungsgesetz“ in dieser Form nicht mehr existiert. Gemeint waren in der veralteten Fassung, die hier zitiert wird, Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit im Asylverfahren (nach aktueller Gesetzeslage neu gefasst in: § 30 Abs. 1 Nr. 3 AsylG).

Der zweite neue Satz dagegen ist zwar eine dankbare Klarstellung, setzt aber der geltenden Rechtslage nichts hinzu, da die Titelerteilungssperre bei abgelehnten Asylanträgen gem. § 10 Abs. 3 AufenthG nicht für Personen aus den sog. sicheren Herkunftsstaaten galt und gilt, sondern nur für Personen, die eine Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“ erhielten, aufgrund der in § 30 Abs. 1 AsylG genannten Gründe (vorwiegend Verletzung der Mitwirkungspflichten/Identitätstäuschung oder Gründe der öffentlichen Sicherheit).

Der zweite Absatz des Kapitels erfuhr weitreichende Veränderungen und lautet nun wie folgt:

„Das Chancen-Aufenthaltsrecht wird für die Gültigkeitsdauer von 18 Monaten erteilt. Der elektronische Aufenthaltstitel (eAT) kann zur Vereinfachung der Prozesse und zur Entlastung der Ausländerbehörden für die Gesamtzeit der 18 Monate ausgestellt werden, auch wenn das zugehörige Passdokument zuvor abläuft. In diesen Fällen ist der eAT ausnahmsweise als Ausweisersatz auszustellen ohne den Zusatz, dass die Personalien auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen. Die Angaben zum Passdokument können im Anmerkungsfeld auf der Rückseite oder auf einem Zusatzblatt erfolgen. Der Titelinhaber sollte gleichwohl darauf hingewiesen werden, sich um eine Verlängerung bzw. Neuausstellung seines Passes nachdrücklich zu bemühen. Die 18-monatige Geltungsdauer des Titels beginnt mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (Aushändigung des eAT), und der Titel gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Damit wird die Anwendbarkeit von Vorschriften dieses Abschnitts und der Normen, die hierauf Bezug nehmen, sichergestellt (z.B. § 5 Absatz 3 Satz 2 oder § 10 Absatz 3 Satz 1 AufenthG). Um die Inhaber des Chancen-Aufenthaltsrechts bereits zum Zeitpunkt der Bestellung des eAT in die Lage zu versetzen, mit den Bemühungen zur Erlangung der in den Anschlusstiteln der §§ 25a, 25b AufenthG bezeichneten Voraussetzungen zu beginnen (Ermöglichung des Besuches eines Integrationskurses), sollte die Ausländerbehörde dem Ausländer zu diesem Zeitpunkt als einfaches Behördenschreiben eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG positiv entschieden wurde und die Herstellung des eAT in Auftrag gegeben worden ist. Die wesentlichen Elemente des Titels (Name, Bezeichnung des Titels, Beantragung des Titels) sollten in diesem Schreiben enthalten sein. Damit wird dem Ausländer ermöglicht, die Geltungsdauer des Titels bestmöglich zu nutzen, etwa einen Integrationskurs zu besuchen und eine Erwerbstätigkeit – soweit diese nicht bereits im Rahmen der Duldung erlaubt war – auszuüben.“

Zur ersten Hervorhebung: das „zugehörige Passdokument“ war noch nie eine Erteilungsvoraussetzung des Chancenaufenthaltsrechts. Es ist fraglich, dass vor diesen Hinweisen je etwas anderes vorgestellt wurde, als einen eAT für die gesamte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels auszustellen. Der Hinweis „ausnahmsweise ohne Zusatz, dass die Personalien auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen“, macht ebenfalls keinen Sinn: denn angenommen ein „zugehöriges Passdokument“ liegt vor, so ist die Identität auch mit abgelaufenen Pass geklärt und der Zusatz wäre zu streichen.

Zur zweiten Hervorhebung: Dies betrifft eine Problematik, die sich insbesondere im vergangenen Jahr als Sorge bei Antragsteller:innen und in der Flüchtlingshilfe bemerkbar gemacht hat: die Gültigkeitsdauer des eAT und die Zeit, die Antragsteller:innen tatsächlich haben, um die Voraussetzungen für das CAR zu erfüllen. In den ersten Anwendungshinweisen wurde bereits festgestellt, dass die Gültigkeitsdauer mit Aushändigung des eAT beginnt (das Datum ist auf einem extra Blatt/Anschreiben zu vermerken). Der neue Vorschlag über eine Bescheinigung der positiven Entscheidung stammt bereits aus den Ergänzungen der Anwendungshinweise vom Februar 2023 und ist nun in die neue allgemeine Fassung aufgenommen worden. Fraglich ist, ob die Träger der Integrationskurse diese Bescheinigung anerkennen werden. Dem Wortlaut nach ist es allerdings genau so gedacht.

Eine letzte Änderung am Schluss des Kapitels betrifft lediglich die Neufassung von § 10 Abs. 3 AufenthG und den Hinweis auf die Anwendungshinweise zum „FEG 2.0“.

Kapitel 1.11 – Hinweispflichten der Ausländerbehörde

Der zweite Absatz enthält eine wichtige Änderung, die den Wechsel in den Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG betrifft: „Hinsichtlich der Altersgrenze in § 25a AufenthG ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Das Erreichen der Altersgrenzen nach Antragstellung ist unbeachtlich.“

Desweiteren werden umfangreiche Ergänzungen vorgenommen, angefangen mit einem kurzen Abschnitt zur Barrierefreiheit: „Die Ausländerbehörden sind gehalten, Informationen und Hinweise barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in Kapitel 0 hingewiesen.“ (s.o.)

In Bezug auf den „Rechtskreiswechsel“ wird sodann, im Anschluss an Kapitel 1.10 (s.o.), klargestellt, dass bereits mit der Bescheinigung über eine positive Entscheidung der Ausländerbehörde Leistungen vom Jobcenter bezogen werden können (im Folgemonat, ohne Ausschlussfrist gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II). Auf die Aushändigung des eAT „kommt es dann nicht mehr an“, wenn diese Bescheinigung gemeinsam mit der Duldung (s.u. 1.13) vorgelegt wird, sodass die Identität des Antragstellenden zweifelsfrei festgestellt werden kann.

Der darauffolgende Abschnitt enthält schließlich Hinweise aus den „Ergänzungen“ über die Einbeziehung der MBEs und der JMDs durch die Ausländerbehörden in die Verweisberatung zum Zweck eines reibungslosen Übergangs in die Anschlussregelugen, wobei gleichzeitig (vgl. Kapitel 0) auch wieder auf die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen abgestellt wird.

Kapitel 1.12 – Sonstige Rechtsfolgen

Gleichbleibend, mit einer Ergänzung im letzten Absatz: „Auch ggf. verfügte oder gesetzlich festgelegte Beschäftigungsverbote für geduldete Personen entfallen.“

Hier ist zu vermuten, dass sich dies auf die Periode mit einer „Bescheinigung“ (s.o.) bezieht, da Beschäftigungsverbote mit Erteilung des Aufenthaltstitels ohnehin entfallen. Es ist zweifelhaft, dass die Behörden so verfahren werden, es liegen allerdings umgekehrt beim hfr auch keine Erfahrungswerte vor.

Kapitel 1.13 – eAT als Ausweisersatz

Vollständig neuer Abschnitt, der die Ausführungen aus den „Ergänzungen“ vom Februar 2023 in die allgemeine Fassung der Anwendungshinweise aufnimmt. Neu ist der folgende Hinweis, der – folgerichtig – sich auf die o.g. Bescheinigung (Kapitel 1.10) bezieht:

„Bis zur Aushändigung des eAT soll dem Ausländer sein bisheriges Duldungsdokument (mit Lichtbild) belassen werden, um sich zusammen mit dem einfachen Behördenschreiben zur Titelerteilung nach § 104c AufenthG ausreichend identifizieren zu können.“

Kapitel 2 – Übergang §§ 25a/25b AufenthG

Kapitel 2.0 enthält einige Ergänzungen und klarstellende Reformulierungen, insb. bzgl. der (neuen) Vorduldungszeiten in § 25a AufenthG und der Zeiten mit Duldung gem. § 60b AufenthG (beides findet keine Anwendung auf Inhaber:innen des CAR).

Die nachfolgenden Kapitel enthalten weitestgehend Reformulierungen, die inhaltlich nicht bedeutsam sind.

In Kapitel 2.3 – Identitätsklärung findet sich folgende Ergänzung in den Erläuterungen über die Zumutbarkeit der Beschaffung von (Pass-)Dokumenten (Absehen der allg. Erteilungsvoraussetzung im Ermessen): „Hierbei sind aus Gründen der völkerrechtlichen Personal- und Passhoheit internationale Maßstäbe und die humanitären Ziele der gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen.“ (Herv. = Änderung)

Als neuer letzter Absatz wurde in diesem Kapitel folgender Hinweis ergänzt:

„Ein Reiseausweis für Ausländer kann insbesondere dann in diesem Zusammenhang erteilt werden, wenn der Ausländer eine Ausreise aus dem Bundesgebiet beabsichtigt, um einen Pass seines Heimatstaates zu erlangen, soweit die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen, und es unzumutbar ist, ein Rückreisedokument seines Heimatstaates zu erhalten. Die Gültigkeitsdauer eines Reiseausweises für Ausländer soll sich auf die voraussichtliche Dauer des Verfahrens der Passbeschaffung beschränken.“

Kapitel 2.4 – LUS und positive Prognoseentscheidung

Das Kapitel ist komplett neu eingefügt worden, wobei insbesondere die Hinweise zu unbefristeten und befristeten Arbeitsverträgen hilfreich sind. Das neue Kapitel liest sich wie folgt:

„Nach § 25b Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AufenthG muss der Ausländer entweder seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichern oder es muss bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten sein, dass die Person ihren Lebensunterhalt im Laufe der Zeit selbst sichern wird. Dies kann z.B. angenommen werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt oder die Schul-, und Berufsausbildung sowie die bisherigen Integrationsleistungen in Sprache und Gesellschaft nahelegen, dass der Lebensunterhalt gesichert sein wird. Die Tatsache, dass ein Arbeitsvertrag befristet ist, kann eine negative Prognose hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung überwiegend durch Erwerbstätigkeit allein nicht begründen.

Beim Übergang vom Chancen-Aufenthalt in den Folgetitel des § 25b AufenthG sollte der Aspekt der langfristigen und nachhaltigen Arbeitsmarktintegration z.B. durch eine Teilnahme an berufsabschlussorientierten Maßnahmen besonders gewürdigt werden.“

Kapitel 3 – Integrationsmaßnahmen

In Kapitel 3.1 wird im ersten Absatz ergänzt, was schon aus der Rechtsanwendung beim § 25b AufenthG bekannt ist. Die Stelle bezieht sich auf das Spracherfordernis beim § 25b AufenthG:

Der Nachweis dieser Kenntnisse [mündl. Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2] hat dabei nicht zwingend durch Vorlage eines Sprachzertifikats zu erfolgen. Er ist beispielsweise auch dann erbracht, wenn der Ausländer bereits längere Zeit im Berufsleben gestanden hat und Gespräche bei der Ausländerbehörde ohne Zuhilfenahme von Dolmetschern geführt werden können oder er den erfolgreichen Besuch einer deutschsprachigen Schule, den Abschluss einer deutschen Berufsbildung oder eines deutschsprachigen Studiums an einer deutschsprachigen (Fach-)Hochschule nachweisen kann.“

Der letzte Absatz wurde ebenfalls neu gefasst. Es wird zuvor klargestellt, dass ein Integrationskurs keine Voraussetzung für einen Aufenthaltstitel gem. § 25b AufenthG darstellt. Gleichwohl:

„Es ist eine Abwägung im Einzelfall empfehlenswert, ob die Verpflichtung zum Integrationskurs notwendig erscheint. Der Besuch eines Integrationskurses kann sinnvoll oder erforderlich sein, um die Voraussetzung einer überwiegenden Lebensunterhaltssicherung bzw. positiven Prognoseentscheidung erfüllen zu können. Für Ausländer, die mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG Leistungsberechtigte nach dem SGB II werden, können die Jobcenter in sorgfältiger Abwägung der individuellen Integrationsstrategie eine Teilnahme am Integrationskurs vorsehen und eine Zulassung zur Teilnahme ausstellen.“

Kapitel 3.2 – Hinweise an die Antragsteller enthält den folgenden Zusatz über die Zugangsvoraussetzungen des Integrationskurses, entsprechend der neuen Gesetzeslage: „Seit dem 1. Mai 2023 können auch Beschäftigte, deren Bruttoentgelt einen bestimmten Betrag nicht übersteigt, auf Antrag und gegen Vorlage aktueller Nachweise von der Kostenbeitragspflicht befreit werden (§ 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Integrationskursverordnung).“

Kapitel 3.3 – Individuelle Beratung, Unterstützung und Begleitung ist ein gänzlich neu eingefügtes Kapitel, das allerdings hauptsächlich (erneut) auf verschiedene Fördermöglichkeiten und Unterstützungsformen durch bspw. MBE und JMD hinweist.

Kapitel 4 enthält unwesentliche Veränderungen.

Kapitel 5 – AZR-Speichersachverhalte wurde stark gekürzt und liest sich nun wie folgt:

„Damit die mit der Durchführung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften betrauten Behörden die Erteilung eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“ im Ausländerzentralregister (AZR) speichern können, ist im Zuge der Dritten Verordnung zur Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung eine Ergänzung der Anlage der AZRG-Durchführungsverordnung (AZRG-DV) erfolgt. Mit der technischen Umsetzung der neu eingeführten Speichersachverhalte wurde die Erfassung der neuen Aufenthaltserlaubnisse im AZR durch die Ausländerbehörden ermöglicht.“