Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus Griechenland jetzt umsetzen!
Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF) kritisieren Blockade der Bundesregierung
22.01.2020 – Im fünften Jahr des EU-Türkei-Deals harren zehntausende Menschen unter katastrophalen menschenunwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln aus. Unter ihnen sind tausende Kinder und Jugendliche, sie machen mehr als ein Drittel der derzeit rund 41.000 Geflüchteten aus. Mehr als 60 Prozent der Kinder sind unter 12 Jahre alt.
Knapp 15% aller Kinder und Jugendlichen (etwa 2.000) auf den griechischen Inseln flohen allein oder sind von ihren Familien getrennt und komplett auf sich allein gestellt. Viele von ihnen leben schutzlos in Zelten, auf der Straße oder sind unter dem Vorwand, es sei zu ihrem eigenen »Schutz«, sogar inhaftiert. Der Zugang zu Betreuung, Bildung und notwendiger (medizinischer) Versorgung bleibt vielfach verwehrt. Diese Situation verletzt in einem massiven, teils lebensbedrohlichen Ausmaß die Rechte der Kinder und Jugendlichen. Ein Großteil von ihnen hat Angehörige in Deutschland.
PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und BumF sind empört über die Blockade des Bundesinnenministeriums und fordern, die Aufnahme der Schutzsuchenden von den griechischen Inseln in Deutschland ohne weitere Verzögerung umsetzen.
PRO ASYL, Flüchtlingsräte und BumF stellen fest: Sieben Bundesländer und mindestens 15 Kommunen haben öffentlich Plätze für die Aufnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen von den griechischen Inseln angeboten. Die Aufnahmebereitschaft ist in Deutschland also weiterhin hoch. Wer jetzt die Aufnahme verweigert, trägt dazu bei, dass die Kinder- und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen immer weiter andauern. Kindeswohl und Kindesschutz enden aber nicht an der Landesgrenze. Es ist unsere humanitäre Pflicht, jetzt zu handeln.
In Deutschland haben bundesweit zahlreiche Jugendhilfeeinrichtungen freie Plätze und können die schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen sofort betreuen. Eine Vielzahl der festsitzenden Flüchtlingskinder hat auch Angehörige, die bereits in Deutschland leben und hier im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist kein Gnadenakt sondern beruht auf einem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung über die Dublin-Verordnung. Die Verfristung der Antragstellungen in Griechenland liegt auch an den katastrophalen Zuständen, die Europa mit dem EU-Türkei-Deal bewusst herbeigeführt hat.
Die Aufnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen kann nur ein Anfang sein. Die sogenannten Hotspots müssen umgehend geschlossen werden. Wenn die Menschenrechte auch an den europäischen Außengrenzen gelten sollen, braucht es den Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb der EU, und dieser ist im Schlamm und Morast der sogenannten »Hotspots« nicht möglich.
Hintergrund:
Anfang November 2019 erklärte der Sprecher der A-Länder der Innenministerkonferenz, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, nach einer Griechenland-Reise, er wolle unter seinen Amtskolleg_innen in den Bundesländern und bei Bundesinnenminister Horst Seehofer dafür werben, etwa über mögliche Sonderkontingente, unbegleitete Kinder und Jugendlichen von den griechischen Inseln in Deutschland aufzunehmen. Konkret will Pistorius bis zu 200 Kinder und Jugendliche nach Niedersachsen holen. Frankreich hat die Aufnahme von 400 Personen zugesagt. Dies ist eine unangemessen geringe Zahl, aber mehr als nichts. Nach Medienberichten hat Bundesinnenminister Seehofer eine Aufnahme komplett abgelehnt.
Anfang Dezember 2019 erklärten die Bundesländer Berlin, Niedersachsen und Thüringen in einem Schreiben ihre Aufnahmebereitschaft für unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Griechenland gegenüber Bundesinnenminister Seehofer. Seither haben außerdem die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Rheinland-Pfalz politisch erklärt, ebenfalls für Aufnahmen bereit zu stehen.
Ausgehend von einer Initiative des Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert haben in den letzten Wochen neben Potsdam mindestens 15 Kommunen konkrete Aufnahmeplätze öffentlich benannt bzw. in Aussicht gestellt, darunter die Städte Frankfurt (Oder), Düsseldorf, München, Kiel, Teltow und Freiburg.