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Thema Ukraine

Ukrainekrieg und rechtliche Lage aus der Ukraine geflohener Menschen in Deutschland

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine am 24.02.2022 sind Millionen Menschen aus der Ukraine sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes auf der Flucht. Die Europäische Hilfsbereitschaft ist groß, doch aus der präzedenzlosen Lage ergaben sich viele offene Fragen und praktische Probleme.

Auf dieser Seite bieten wir einen rechtlichen Überblick über die Situation von geflohenen Menschen aus der Ukraine. Beachten Sie auch die Material- und Linksammlung zum Thema in der Seitenleiste!

Zuletzt geändert am 05.12.2023

For resources in english, ukrainian or russian please mind the links within the sidebar!

Achtung Neuigkeiten!

Aufenthaltserlaubnisse nach § 24 AufenthG sind per Verordnung automatisch bis zum 04.03.2025 verlängert worden! Eine Verlängerung durch die Ausländerbehörde im Einzelfall ist damit nicht erforderlich! Hintergrund ist die Verlängerung des Ratsbeschlusses der EU zum Vorübergehenden Schutz im September 2023.

Der Vorübergehende Schutz in Deutschland

Für ukrainische Staatsangehörige gab es schon vor Kriegsbeginn die Möglichkeit visumsfrei in den Schengenraum einzureisen. Sie dürfen sich also im Schengenraum, darunter auch Deutschland, für 90 Tage legal und ohne Visum aufhalten. Dafür wird allerdings in der Regel ein biometrischer Pass benötigt!

Mit der am 09.03.2022 in Kraft getretenen Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung, zunächst durch Bundesratsbeschluss vom 08.04.2022 bis zum 31. August 2022 verlängert, wurde darüber hinaus Rechtssicherheit auch für Drittstaatsangehörige geschaffen und die Notwendigkeit des Besitzes eines biometrischen Passes relativiert.

Mit der dritten Verordnung zur Änderung der Ukraine-Aufenthaltsübergangsverordnung vom 30.11.2022 wurde der visumsfreie Aufenthalt bis zum 31.05.2023 verlängert, jedoch wurde bereits mit der zweiten Änderungsverordnung eine Befristung eingeführt! Ab dem 01.09.2022 gilt die folgende Rechtslage:

  • Alle Personen, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und bis zum 31. Mai 2022 nach Deutschland eingereist sind, sind für einen Zeitraum von 90 Tagen von der Visumpflicht befreit. Dies gilt sowohl für ukrainische Staatsangehörige mit oder ohne biometrischen Pass als auch für nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die bis zum 24. Februar in der Ukraine gelebt haben (§ 2 Abs. 1 UkraineAufenthÜV, neue Fassung).
  • Ukrainische Staatsangehörige sowie nicht-ukrainische Staatsangehörige oder Staatenlose mit internationalem Schutzstatus (d.h. Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz oder ein vergleichbarer Schutz), die sich am 24. Februar zwar vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben, die aber zu diesem Zeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine hatten, und die bis zum 31. Mai 2022 nach Deutschland eingereist sind, sind für einen Zeitraum von 90 Tagen von der Visumpflicht befreit (§ 2 Abs. 2 UkraineAufenthÜV, neue Fassung)

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Betroffene, die ab dem 1. September 2022 und vor dem 31. Mai 2022 nach Deutschland einreisen, sind für 90 Tage von der Visumpflicht befreit (längstens also bis zum 29. August 2023)
  • Betroffene, die zwischen dem 4. Juni und dem 31. August 2022 eingereist sind, sind von der Visumpflicht befreit, bis ein Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet erreicht ist
  • Betroffene, die zu einem früheren Zeitpunkt (am oder vor dem 3. Juni 2022) eingereist sind, sind noch bis zum 31. August 2022 nach der bislang geltenden Fassung der UkraineAufenthÜV von der Visumpflicht befreit. Für sie gilt die Befreiung von der Visumpflicht ab dem 1. September 2022 nicht mehr, weil sie den Zeitraum von 90 Tagen dann bereits überschritten haben

Das bedeutet in jedem Fall, dass – falls noch nicht geschehen – unbedingt vor Ablauf des 31.08. bzw. vor Ablauf der 90 Tage ein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt werden muss, um Fiktionswirkung auszulösen und den Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde zu legalisieren.

Weitere Informationen auf unserer Seite oder bei asyl.net!

Personen, die sich visumsfrei in Deutschland aufhalten, dürfen grundsätzlich keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und bekommen auch keine Sozialleistungen und haben keinen Anspruch auf eine Unterkunft. Es ist es möglich, sog. „Überbrückungsleistungen“ über dringenden Bedarf oder notwendige medizinische Versorgung beim Sozialamt auf Grundlage des § 23 SGB XII zu beantragen. Ferner besteht bis einen Monat nach der Einreise die Möglichkeit, eine Reisekrankenversicherung abzuschließen.

Dieser rechtliche Rahmen veränderte sich mit Blick auf die Anwendung des § 24 AufenthG nach dem EU-Ratsbeschluss zum Vorübergehenden Schutz. Mit Schreiben des BMI vom 02. März werden die zuständigen Leistungsbehörden angewiesen, schon jetzt bei Äußerung der Bitte nach Unterstützung so zu verfahren wie es die EU Massenzustrom-Richtlinie vorsieht und Betroffenen Leistungen nach dem AsylbLG bzw. nach dem sog. „Rechtskreiswechsel“ gemäß SGB II zu gewähren, noch bevor eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt worden ist. Das gleiche gilt nach Hessischem Erlass vom 04. März auch für Hessen! Nach Unterstützungsgesuch gibt es Anspruch auf Leistungsbezug.

Die Bitte um Unterstützung solle analog zum Asylgesuch aufgefasst werden, bedeute demnach aber nicht die Einleitung eines Asylverfahrens, in Erwartung der Umsetzung des Ratsbeschlusses zum Vorübergehenden Schutz. Jedoch ist für alle Personengruppen, die nach derzeitiger Auffassung des BMI keine Ansprüche auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG geltend machen können, Vorsicht geboten und in Fällen akuten Bedarfs ist es möglicherweise ratsam, zuerst das Sozialamt zu adressieren und die genannten Überbrückungsleistungen zu beantragen.

Mit in Kraft treten des EU-Ratsbeschlusses am 04. März die Aufnahme nach § 24 AufenthG jetzt unmittelbare Anwendung. Es besteht unabhängig von den genannten Erlassen Anspruch auf AsylbLG bzw. infolge des „Sofortzuschlagsgesetzes“ Anspruch auf SGB II für die vom BMI privilegierten Personengruppen und allen Personen mit Fiktionsbescheinigung und erfolgter AZR-Registrierung. Bitte die folgenden Abschnitte lesen!

Die EU hat am Sonntag, den 27.02. den Mechanismus nach der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie ausgelöst. Am Donnerstag, 03. März, wurde der entsprechende Beschluss vom Rat der Europäischen Union gefasst und am 04.03. im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Damit ist der Beschluss in Kraft getreten.

Nach der Richtlinie können Personen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen sind, schnell und unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Mit den geltenden Anwendungshinweisen des BMI vom 05.09.2022 ist der privilegierte Personenkreis wie folgt definiert:

  • Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten und ab diesem Datum geflüchtet sind.
  • Nicht-ukrainische Staatsangehörige mit einem internationalen oder gleichwertigem nationalen Schutzstatus in der Ukraine, die vor dem 24. Februar 2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten und ab diesem Datum geflüchtet sind.
  • Die Familienangehörigen der beiden vorgenannten Gruppen, wenn die familiäre Gemeinschaft bereits in der Ukraine bestand (das sind Ehegatt*innen, nicht-verheiratete Partner*innen in dauerhafter Beziehung, minderjährige ledige Kinder und Stiefkinder sowie andere enge Verwandte in einem schon vorher bestehenden Abhängigkeitsverhältnis, das durch Unterhaltsgewährung oder durch Pflege und Betreuung zum Ausdruck kommt).
  • Nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die sich vor dem 24. Februar 2022 mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel in der Ukraine aufgehalten haben. Das Kriterium, ob eine „sichere und dauerhafte“ Rückkehr ins ursprüngliche Herkunftsland möglich ist, soll nicht geprüft werden!
  • Nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die sich vor dem 24. Februar 2022 mit einem befristeten Aufenthaltstitel und/oder rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben und die nicht „sicher und dauerhaft“ in ihr ursprüngliches Herkunftsland zurückkehren können. Es muss sich um einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt gehandelt haben, der für mehr als 90 Tage vorgesehen war. Ausdrücklich einbezogen in den § 24 werden damit auch Studierende und Menschen, die für die Arbeit in der Ukraine waren, als auch Asylbewerber:innen, die in der Ukraine noch keinen Schutz erlangen konnten! Allerdings immer unter der Bedingung, dass sie nicht ins ursprüngliche Herkunftsland zurückkehren können. Die Ausländerbehörden sollen hier analog zur Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 V und VII AufenthG verfahren, jedoch soll bei Eritrea, Syrien und Afghanistan nicht von einer Rückkehrmöglichkeit ausgegangen werden!
  • Ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24. Februar bereits in Deutschland waren und hier einen anderen Aufenthaltstitel hatten (z. B. als Studierende in Deutschland, Fachkraft, Familienangehörige), werden ebenfalls in den § 24 einbezogen, wenn der ursprüngliche Aufenthaltstitel nicht verlängert werden kann (z. B. Scheitern des Studiums, Trennung).
  • Ukrainische Staatsangehörige und andere Drittstaatsangehörige, die „nicht lange“ vor dem 24. Februar schon in der EU waren (z. B. als Tourist*innen) unter den oben genannten Bedingungen. Der Zeitraum des Voraufenthalts (bevor Kriegsbeginn, der eine Rückkehr unmöglicht machte) wird auf maximal 90 Tage bestimmt.

Mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG und zumeist auch mit der entsprechenden Fiktionsbescheinigung können Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bzw. ab dem 01.06. („Sofortzuschlagsgesetz“) SGB II-Leistungen in Anspruch genommen werden. Voraussetzung ist eine erfolgte AZR-Registrierung und ED-Behandlung, die ab dem 01.06. von den Ausländerbehörden obligatorisch durchgeführt werden soll.

Welche Sozialleistungen im Einzelnen (Krankenschutz, Elterngeld, Kindergeld usw.) sich hieraus für die verschiedenen Personengruppen ergeben kann mithilfe dieser umfangreichen Tabelle detailliert nachvollzogen werden. Eine wichtige Neuerung betrifft ukrainische Studierende: Inhaber:innen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG können nun trotz SGB II Bezug BAföG erhalten, soweit alle weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Bei Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis ist die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit einzutragen. Bis zum Erhalt der Aufenthaltserlaubnis soll eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt werden. Die Anwendungshinweise des BMI vom 05.09.2022 stellen klar, dass bei Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG in jedem Fall eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt werden soll. Die Fiktionsbescheinigung enthält in der Regel bereits die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit (Achtung: bitte den Abschnitt Drittstaatsangehörige beachten).

Aufenthaltserlaubnis (§ 24 AufenthG) und Fiktionsbescheinigung sind gebührenfrei.

Nach § 24 Abs. 3 und 4 AufenthG besteht grundsätzlich Wohnsitzauflage! Nach § 24 AufenthG muss der Wohnsitz am in der Zuweisungsentscheidung genannten Ort genommen werden! Die Zuweisungsentscheidung erfolgt mit der Zuweisung durch die Registrierung beim Meldeamt oder durch Verteilung aus der Erstaufnahme heraus und wird nicht auf dem Aufenthaltstitel, sondern auf einem Zusatzblatt vermerkt. Denn die Zuweisungsentscheidung erlischt mit Titelerteilung von Amts wegen! Daraus ergibt sich, dass ab Titelerteilung lediglich eine auf ein Bundesland bezogene Wohnsitzauflage gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG besteht.

Eine „Weiterwanderung“ in ein anderes EU-Land nach erfolgter Registrierung bzw. beantragtem Aufenthaltstitel ist gemäß § 42f. AufenthV auf Antrag grundsätzlich möglich. Zusätzlich hat das BMI am 08.08.2022 ein Rundschreiben veröffentlicht und auf diese Frage genauer Bezug genommen: demnach besteht auch dann (und ohne bürokratische Zwischenschritte) ein Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG, wenn bereits in einem anderen EU-Land vorübergehender Schutz erlangt wurde. Umgekehrt allerdings erlischt zwar der Schutzstatus in Deutschland nicht, wenn Betroffene in einem anderen EU-Land vorübergehenden Schutz beantragen, allerdings die Aufenthaltserlaubnis selbst (unabhängig von ihrer Gültigkeitsdauer). Gleiches gilt dann, wenn eine „dauerhafte Rückkehr“ in die Ukraine angenommen wird – jedoch ist eine Abwesenheit aus Deutschland bis zu sechs Monate grundsätzlich unschädlich.

Für alle, die sich nach der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung visumsfrei in Deutschland aufhaltenden Personen (bitte den Abschnitt „Einreise“ beachten) gilt: es besteht keine Wohnpflicht in der Erstaufnahme. Ist private Unterbringung möglich, können die Personen dort bleiben. Eine Registrierung erfolgt durch den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG bei der lokalen Ausländerbehörde (im Zweifel die Liste hessischer Ausländerbehörden des Hessischen Innenministeriums heranziehen) und auch das Meldeamt und die entsprechende Leistungsbehörde (im Regelfall das örtliche Jobcenter) ist zu informieren.

Achtung: Die Notunterkunft in den Frankfurter Messehallen ist inzwischen geschlossen! Erstkontakt bei Ankunft in Frankfurt leistet die Bahnhofsmission am Frankfurter Hauptbahnhof sowie die Clearingstelle für ukrainische Flüchtlinge des Jugend- und Sozialamts, Mainzer Landstraße 293 (fußläufig vom Hbf). Unter diesem Link finden sich Informationen zur Clearingstelle und weiteren Unterstützungsangeboten der Stadt Frankfurt.

Für alle, die keine private Unterbringungsmöglichkeit haben gilt allgemein: Es bedarf der Meldung im Landesaufnahmezentrum. Für Hessen ist das Ankunftszentrum Gießen zuständig. Daran anschließend erfolgt die Verteilung nach § 24 Abs. 3 AufenthG (FREE-Buchung) und die Unterbringung in den Kommunen nach Landesregelungen gemäß § 24 Abs. 4 AufenthG (Zuweisungsentscheidung, erlischt mit Titelerteilung).

Für alle, die eine private Unterkunft wieder verlassen müssen: wurde bereits ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt bzw. ist eine Registrierung erfolgt, dann können Betroffene nicht einfach in eine andere Stadt wechseln, solange die Aufenthaltserlaubnis noch nicht erteilt wurde. Dafür bedarf es einer Genehmigung durch die Ausländerbehörde. Auch ist bei Wohnungsverlust nicht mehr die Erstaufnahme zuständig. Die Registrierung gilt als Zuweisungsentscheidung und die Kommune/der Kreis, in dem die Unterkunft lag, ist weiter zuständig und muss Betroffene in einer Notunterkunft oder Gemeinschaftsunterkunft unterbringen können, wenn kein Wohnraum zur Verfügung steht. Mit Titelerteilung besteht die Möglichkeit einen Wohnort im jeweiligen Bundesland frei zu wählen. Bei Unterstützungsbedarf ist die bislang zuständige Leistungsbehörde zu adressieren.

Für Drittstaatsangehörige, die keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine hatten, gibt es keinen Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG. Eine Titelerteilung kann nur erfolgen, wenn die Person sich rechtmäßig und nicht für einen Kurzaufenthalt in der Ukraine aufgehalten hat, sprich

  • im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis mit Gültigkeit von mehr als 90 Tagen gewesen ist, z.B. also Studierende, oder
  • als schutzsuchende Person, die noch keine Gelegenheit hatte, einen Schutzstatus zu erhalten, in der Ukraine gelebt hat.

Dazu kommt die allgemein gehaltene Voraussetzung, dass eine „sichere und dauerhafte“ Rückkehr ins Herkunftsland nicht möglich bzw. zumutbar ist. Von einer solchen Prüfung soll abgesehen werden bei den Herkunftsländern Afghanistan, Eritrea und Syrien.

Das Hessische Innenministerium hat inzwischen klargestellt, dass bei jedem Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt werden soll. Das dürfte in den meisten Fällen den Bezug von Sozialleistungen nach SGB II und die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit auch für Drittstaatsangehörige zur Folge haben. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit wird in allen Fällen außer „offensichtlich unbegründeten“ Fällen bereits in die Fiktionsbescheinigung eingetragen. Daraufhin erfolgt die Aufforderung der Ausländerbehörde an die Betroffenen, eine Stellungnahme zu den Gründen abzugeben, weshalb eine Rückkehr nicht möglich ist. (Vgl. diesen Beitrag auf unserer Website oder die aktuellen Anwendungshinweise des BMI vom 05.09.2022)

Für alle, die unter diesen Voraussetzungen keine Erfolgsaussichten auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG haben, gibt es die Möglichkeiten, während ihres visumsfreien Aufenthalts die Voraussetzungen für eine andere Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. In dieser Zeit soll die Entscheidung über einen etwaigen bereits eingereichten Antrag zurückgestellt werden und es wird von den Ausländerbehörden davon ausgegangen, dass das dafür nötige Visumsverfahren unzumutbar sei. Das bedeutet, es müssen lediglich die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis (bspw. zum Zweck des Studiums oder der qualifizierten Beschäftigung) vorliegen, ohne dass ein Visumsverfahren aus dem Ausland betrieben werden muss.

Eine Regelung für Drittstaatsangehörige aus der Ukraine, die ihr Studium in Deutschland fortsetzen wollen, wie Berlin und Hamburg sie getroffen haben, gibt es in Hessen leider nicht. Stattdessen steht zur Aussicht, dass für viele mit Ablauf ihrer Fiktionsbescheinigung bzw. mit Ende des visumsfreien Aufenthalts spätestens zum 28.02.2023 der legale Aufenthalt in Deutschland endet, solange keine neue Anschlussregelung für die derzeit gültige Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung getroffen wird.

Für alle, die individuelle Fluchtgründe aufweisen können, besteht selbstverständlich die Möglichkeit, in Deutschland ein Asylverfahren zu betreiben, sofern Sie dies nicht bereits in einem anderen EU-Land begonnen haben. Bitte den Abschnitt Asylantrag beachten!

Russische Staatsangehörige, die vor der Teilmobilmachung fliehen, können gundsätzlich als Deserteure oder Wehrdienstverweigerer in Deutschland und der EU Schutz finden und ein Asylverfahren betreiben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte dazu Ende September noch Zusagen gemacht.

In der Praxis dürfte sich dies allerdings als äußerst schwierig gestalten, denn nicht nur ist der Flugverkehr seit Beginn des russischen Angriffskrieges eingestellt. Auch viele Nachbarländer Russlands (Polen, Finnland, baltische Staaten) verweigern russischen Staatsangehörigen die Einreise bzw. stellen keine Schengenvisa mehr aus. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam Anfang Oktober zu dem Ergebnis, dass dieses Vorgehen sehr wahrscheinlich gegen EU-Recht verstößt. Ob sich daraus eine Konsequenz ergibt, ist bislang unklar.

Ein Asylverfahren kann jedenfalls nicht aus dem Ausland betrieben werden. Für die (legale) Einreise und die Aussicht auf ein Schutzgesuch bleibt damit nur der Weg über ein reguläres Visumsverfahren bzw. über humanitäre Visa. Im Kontrast dazu sind derzeit insbesondere Georgien, Kasachstan und die Mongolei verlässliche Staaten, die russischen Staatsangehörigen Unterstützung zusichern.

Wie genau die Chancen auf ein positives Asylverfahren in Deutschland im Einzelnen zu beurteilen sind, ist sehr schwer zu vorauszusagen. In jedem Fall bedarf es des Nachweises der tatsächlichen Einberufung im Falle der Wehrdienstverweigerung (Einberufungsbescheid). Was den Komplex Teilnahme an Kriegsverbrechen im Falle des Wehrdienstes vor dem Hintergrund der russischen Kriegsführung im Zusammenhang mit Asylgründen angeht, sind ebenfalls keine verlässlichen Aussagen über die Entscheidungspraxis des BAMF zu treffen. Grundsätzlich bestehen vor diesem Hintergrnud Chancen auf einen Schutzstatus, insbesondere wenn die EuGH-Rechtsprechung zu diesem Thema berücksichtigt wird.

Mehr Informationen sind auf der Website von Pro Asyl zu finden.

Für weitere Informationen zum Asylverfahren bitte auch den folgenden Abschnitt beachten!

Grundsätzlich können alle ukrainischen (oder russischen oder Drittstaats-) Staatsangehörigen innerhalb der EU einen Asylantrag stellen. Ukrainischen Staatsangehörigen, mit Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG raten wir davon ab, dies zu tun. Das gleiche gilt für andere von der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz begünstigte Personengruppen.

Wer trotzdem einen Asylantrag stellen möchte, sollte sich vorher am besten mit einer Flüchtlingsberatungsstelle oder – nach Möglichkeit – mit einem/einer Anwält:in in Verbindung setzen. Eine Übersicht von Flüchtlings- und Migrationsberatungsstellen finden Sie hier auf unserer Seite. Es ist ratsam sich über die Rechtsfolgen und Pflichten von Asylbewerber:innen zu informieren sowie darüber, wonach im Asylverfahren über einen Schutzstatus entschieden wird.

Wer einen Asylantrag in Deutschland stellen möchte, muss sich in Deutschland befinden und kann dies nicht aus dem Ausland tun! In Hessen ist die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung das Ankunftszentrum in Gießen. Nach dem Asylantrag muss man i.d.R. auch in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Es ist in dieser Zeit nicht möglich, sich seinen Wohnort selbst auszusuchen. Man darf in der Zeit in der Erstaufnahme in den ersten Monaten nicht arbeiten, wird aber mit Essen, Kleidung etc. versorgt (größtenteils Sachleistungen). Weitere Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens samt Folgen können Sie z.B. unseren Schulungsunterlagen oder der Infoseite der bpb entnehmen.

Wichtige Besonderheit! Bei einer visumsfreien Einreise greift die Klausel des Ersteinreisestaats aus der Dublin-Verordnung nicht, d.h. auch bei Einreise über Polen oder ein anderes Land wäre Deutschland für einen hier gestellten Antrag zuständig, sofern noch kein Asylantrag in einem anderen Staat gestellt wurde. Sofern die Einreise nicht visumsfrei erfolgt ist, z.B. weil man keinen biometrischen Pass besitzt, oder aber wenn schon in einem anderen Land ein Antrag gestellt wurde, kann es sein, dass ein Dublin-Verfahren eingeleitet wird. Ob dies in der derzeitigen Situation auf tatsächlich gemacht wird, ist im Moment noch schwer abzuschätzen.

Achtung bei zweigleisigem Vorgehen: Ein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG „pausiert“ ein laufendes Asylverfahren. Umgekehrt wird ein Asylverfahren nicht betrieben, wenn ein Antrag auf diese Aufenthaltserlaubnis vorher gestellt wurde. (Vgl. Anwendungshinweise BMI; § 32a AsylG)

Bei einem negativen Ausgang des Asylverfahrens ist keine Panik geboten! Es existieren verschiedene Duldungsgründe, die einen Aufenthalt in Deutschland weiter ermöglichen können. Darüber hinaus ist derzeit davon auszugehen, dass Abschiebungen von russischen Staatsangehörigen bis auf weiteres nicht durchführbar sind.

Die deutsche Botschaft in Kiew ist derzeit geschlossen und es können keine Visa beantragt werden.

Das BMI schreibt, dass das Nachholen des Visumsverfahrens derzeit unzumutbar sei, daher können die Ausländerbehörden davon absehen und trotzdem Aufenthaltserlaubnisse (z.B. im Falle von Familiennachzug o.ä.) erteilen. Hierfür müssen aber natürlich die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sein.

Es ist ggf. möglich, ein Visum für Deutschland in einer deutschen Auslandsvertretung in einem Nachbarstaat der Ukraine zu beantragen. Dorthin wenden sich im Zweifel auch alle ukrainischen Staatsangehörigen, die nicht über einen biometrischen Pass verfügen.

Drittstaatsangehörige aus der Ukraine, die sich nach der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung visumsfrei in Deutschland aufhalten, können laut dieser Verordnung ggf. in Deutschland die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Arbeit, der Ausbildung oder des Studiums erfüllen, ohne das dazugehörige Visumsverfahren zu durchlaufen. Es wird dabei nicht geprüft, ob es zumutbar ist, ein Visumsverfahren zu betreiben. (vgl. den Abschnitt Drittstaatsangehörige)

Für weitere Informationen zu möglichen alternativen Aufenthaltstiteln ist es ratsam sich mit einer Migrationsberatung für erwachsene ZuwandererBeratungsstelle in Verbindung zu setzen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck bspw. der qualifizierten Beschäftigung vorliegen. Auch eine Studienberatung oder eine Anerkennungsberatung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sind zu empfehlen. Eine Studienberatung bieten in der Regel alle Hochschulen an. Das Land Hessen hat außerdem dazu eine Themenseite erstellt. Die Anerkennungsberatung in Hessen bildet u.a. das IQ-Netzwerk Hessen ab.

Uns erreichen derzeit viele Anfragen von Personen, die bereit sind, Unterkünfte für geflohene Ukrainer:innen bereitzustellen. Wer eine Wohnung hat und diese längerfristig zur Verfügung stellen möchte, sollte mit dem zuständigen Landkreis / Kommune Kontakt aufnehmen. Hier finden Sie eine Liste mit den Kontaktdaten in den jeweiligen Landkreisen.

Zusätzlich gibt es Internetportale zur Wohnraumvermittlung, die allerdings nicht immer transparent sind. Wir empfehlen daher, zuerst die jeweiligen kommunalen Angebote zu nutzen, sollte keine private Unterbringung möglich sein.

Darüber hinaus ist nach wie vor von individuellen, privaten Maßnahmen wie Sachspenden- und Personentransporten abzusehen. Überlassen Sie diese Tätigkeiten den koordinierten und mit Helfer:innenstrukturen vor Ort abgestimmten Organisationen!

Spenden können Sie neben den großen Wohlfahrtsverbänden und der UNO Flüchtlingshilfe auch kleinen (ehrenamtlichen) Vereinen, die insbesondere die lokalen Strukturen vor Ort und in den Grenzgebieten unterstützen, z.B. Mission Lifeline oder Wadi e.V.

Für alle, die an ehrenamtlichem Engagement interessiert sind, bietet das Internet-Portal der hessischen Kampagne #deinehrenamt umfangreiche Informationen. In Frankfurt ist die Stabstelle Unterbringungsmanagement und Geflüchtete zuständig, mehr Informationen finden Sie hier.

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