Der VGH Kassel hat in einem aktuellen Beschluss die immer um sich greifende Praxis der Verweigerung von Duldungen durch die Zentralen Ausländerbehörden gebilligt. Es ging bei dem Verfahren allerdings nur um Ersterteilung, nicht um die mitunter auch auftretende Verweigerung der Verlängerung / Entziehung von Duldungen.
Trotzdem ist dieser Beschluss in der Praxis fatal – insbesondere, da zwar die ständige Rechtsauffassung, dass „die Systematik des Aufenthaltsgesetzes grundsätzlich keinen Raum für einen ungeregelten Aufenthalt“ lässt, aufgegriffen wird und gesagt wird, dass ein einfaches Nichtbetreiben der Abschiebung durch die Ausländerbehörde nicht zulässig ist, gleichzeitig aber stellt der VGH fest, dass ein solches Verhalten der ABH keinen Duldungsgrund darstellt.
Link zum Beschluss: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE250000506
Leitsätze:
- Die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb einer förmlichen Duldung, ohne dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht betrieben wird, sieht das Gesetz nicht vor.
- Das bloße Fehlen konkreter Vollstreckungsbemühungen erfüllt für sich allein keinen der gesetzlich normierten Duldungstatbestände, sodass ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung geschlossen werden kann.
- Die zuständige Ausländerbehörde hat bei der Entscheidung, ob sie eine Duldung erteilt, oder die Ausreisepflicht nach § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG verlängert und eine entsprechende Bescheinigung ausstellt, eine Prognoseentscheidung über die Durchführbarkeit der Abschiebung zu treffen.
- Kommt die Ausländerbehörde zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen, wobei als zeitlicher Maßstab auf die in § 50 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom 30. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1950) enthaltene maximale Ausreisefrist von sechs Monaten zurückgegriffen werden kann.