Wie die FAZ berichtet, soll die Justizzuständigkeitsverordnung in Hessen erneut geändert werden, um die in Hessen geführten Asylklagen bei spezifischen hessischen Verwaltungsgerichten zu bündeln. Erst am 11.12.2023 wurde die Verordnung dahingehend geändert: So werden sämtliche Asylklagen (Ausnahme Flughafenverfahren) ab dem 01.01.2024 beim Verwaltungsgericht Gießen gebündelt, abgesehen von Klagen von Staatsangehörigen von: Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan, Russische Föderation, Somalia, Syrien und Türkei. (§ 59 JuZuV)
Nach den Plänen der hessischen Landesregierung ist ab dem Sommer mit weiteren spezifischen Zuweisungen zu rechnen. Laut FAZ plant der hessische Justizminister Christian Heinz folgende neuen Zuständigkeiten ab dem Sommer 2025:
- VG Frankfurt: Äthiopien, Eritrea
- VG Kassel: Irak, Pakistan
- VG Wiesbaden: Russische Föderation, Somalia
Diese Pläne stehen im Zusammenhang mit den teils sehr langen Klageverfahren in Hessen. In der jüngeren Vergangenheit wurde häufiger berichtet, dass die Dauer der Asylverfahren in Hessen deutlich abgenommen hätte. Tatsächlich steht nach wie vor insbesondere das VG Darmstadt in der Kritik. Die FAZ schreibt über die dortige Einrichtung einer speziellen „Asylkammer“ im vergangenen Jahr: „Im dritten Quartal 2024 dauerten die Verfahren in Darmstadt durchschnittlich 48,3 Monate. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden 45,6 Monate verzeichnet.“
Dass diese Verfahren sich künftig beschleunigen, ist auch deshalb zu bezweifeln, da das BAMF nach eigenen Angaben, aufgrund „zusätzlicher personeller Ressourcen“, derzeit mehr Asylanträge entscheidet, es dadurch also zu mehr Asylklagen kommt – wobei die darin implizierte Zwangsläufigkeit vor allem etwas über die gegenwärtige Entscheidungspraxis des BAMF aussagt. Wie Engagierte in der Flüchtlingsarbeit wissen, betrifft dieser Negativtrend derzeit insbesondere afghanische Staatsangehörige – nach wie vor eine der größten Gruppen von Asylbewerber:innen in Deutschland.
Ebenfalls in diesen Kontext gehörte der Versuch, den Verfahrensgrundsatz im Asylverfahren auf den Kopf zu stellen. Nach den Plänen aus dem Sondierungspapier der neuen Bundesregierung soll der Amtsermittlungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz abgelöst werden. Pro Asyl erklärt, worum es geht:
„Im Verwaltungsrecht gilt bislang der Amtsermittlungsgrundsatz, während im Zivilrecht der Beibringungsgrundsatz Standard ist. Der Unterschied ist, dass im Zivilrecht zwei Privatpersonen streiten, die grundsätzlich dieselben Möglichkeiten zur Verfügung haben. Im Verwaltungsrecht steht aber der Bürger dem Staat gegenüber, der über mehr Macht, Wissen und Ressourcen verfügt. Deshalb braucht es andere Verfahrensgarantien, um eine Waffengleichheit zwischen den Parteien zu gewährleisten. Diese Gemeinwohlaufgabe des Staates zeigt sich auch in der Sachverhaltsermittlung, da der Staat ganz andere Ressourcen zur Verfügung hat einen Sachverhalt aufzuklären als eine Privatperson. Aus diesem Grund liegt die Pflicht, den Sachverhalt richtig zu ermitteln, bei den Sachbearbeiter*innen im BAMF und den Richter*innen.
Sowohl das Anerkennungsverfahren vor dem BAMF als auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren unterliegen derzeit dem Amtsermittlungsgrundsatz. § 24 des Asylgesetzes stellt dies explizit für das BAMF klar. Für die Gerichtsbarkeit ergibt sich dies aus § 86 der Verwaltungsgerichtsordnung, die – sofern kein abweichendes Sonderrecht statuiert wird – auch für das verwaltungsgerichliche Asylverfahren gilt. Das bedeutet, dass das Gericht und die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen – also auch über das hinaus, was von der asylsuchenden Person selbst vorgetragen wird. Im Gegensatz dazu steht der Beibringungsgrundsatz, bei dem das Gericht die Entscheidung nur auf Tatsachen stützt, die die Beteiligten selbst vorbringen.“
Nachdem der Vorsatz im ersten Entwurf des Koalitionsvertrags noch fehlte, wurde er in die finale Fassung wieder aufgenommen (S. 69), ist damit also mitnichten bereits vom Tisch. Die Bündelung der Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten muss als Teil dieser Pläne, die Asylverfahren zu beschleunigen, verstanden werden. Und auch enthält die Bündelung die Gefahr, dass zukünftig zu Lasten der Kläger:innen pauschalisierende Verfahren geführt werden.