Durch den Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung und zur Abschaffung des anwaltlichen Vertreters bei Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam soll die Bundesregierung eine Verordnungsermächtigung erhalten, um künftig ohne Zustimmung des Bundesrates oder des Bundestages Staaten zu sog. sicheren Herkunftsstaaten im Sinne des zukünftigen § 29b AsylG zu bestimmen. Es ist zu erwarten, dass dadurch die Anzahl der sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ erheblich ausgeweitet wird.
Besonders problematisch aus unserer Sicht: Personen aus den sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ unterliegen einem absoluten Arbeitsverbot – sowohl während des laufenden Asylverfahrens als auch im Falle einer Ablehnung im Status der Duldung. Soll dieses Arbeitsverbot künftig auch bei den durch Rechtsverordnung bestimmten sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ bestehen, wird dies absehbar zu einer Vervielfachung der „unlösbaren“ Fallkonstellationen führen: Auch Personen, deren Rückführung aus unterschiedlichen Gründen längerfristig nicht möglich ist, bleiben viele Möglichkeiten der Integration und daher auch eine Aufenthaltssicherung durch Arbeit und Ausbildung etc. versagt.
Auch die Rechtsprechung hat festgestellt, dass es nicht Sinn und Zweck des Arbeitsverbots ist, Staatsangehörige sog. „sicherer Herkunftsstaaten“, die aus familiären Gründen auf nicht absehbare Zeit geduldet sind, dauerhaft vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.
Auf die Frage, ob Abschiebungen in diese Staaten einfach, schwer oder überhaupt nicht durchführbar
sind, hat die Einstufung als „sicher“ ohnehin keinen Einfluss.
Aus Sicht der WIR-Netzwerke, deren Ziel die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ist, blicken wir daher mit größter Sorge auf die sich abzeichnenden Entwicklungen. Personen zu zwingen, Sozialleistungen zu beziehen, statt selbst arbeiten zu können, ist verfassungs- und menschenrechtlich bedenklich sowie aus volkswirtschaftlicher Sicht und auch mit Blick auf die Akzeptanz von Geflüchteten in der Gesellschaft Gift.
Daher sollte jedenfalls der starre Automatismus, Personen aus sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ nicht arbeiten zu lassen, nicht eintreten bzw. abgeschafft werden.
Weitere Konsequenzen der Einstufung als sog. „sicherer Herkunftsstaat“
Die Einstufung als sog. „sicherer Herkunftsstaat“ führt dazu, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass in einem bestimmten Staat keine Verfolgung droht. Daher werden die Asylanträge i.d.R. als offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, wodurch die Klagen keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Gleichzeitig sind an diese Einstufung auch eine Reihe aufenthalts- und sozialrechtlicher Sanktionen geknüpft: Die Betroffenen sind dauerhaft verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen – mit den daraus resultierenden Einschränkungen wie Sachleistungsvorrang und Residenzpflicht.
Hintergrundinformationen
Die aufenthaltsrechtlichen Sanktionen wurden erst im Jahr 2015 eingeführt. Sie zielten insbesondere auf die Staaten des Westbalkans ab. Diese wurden im Rahmen des sog. „Kretschmann-Kompromisses“ in den Jahren 2014 (Bosnien-Herzegowina, Serbien und Nordmazedonien) und 2015 (Albanien, Kosovo und Montenegro) zu sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt.
Teil des Kompromisses war es, legale Zugangsmöglichkeiten für Arbeitsmigration aus diesen Staaten zu schaffen. Dadurch können Personen aus diesen Ländern unter erleichterten Voraussetzungen mit einem Visum nach Deutschland kommen, um hier einer Beschäftigung nachzugehen.
Ziel der Maßnahme war es, einen Anreiz zu schaffen, anstelle des Asylverfahrens die Möglichkeiten der Arbeitsmigration zu nutzen. Dies betraf insbesondere Länder, die in den Vorjahren Visumsfreiheit für die Europäische Union erlangt hatten. Hinsichtlich von Rücknahmen ihrer Staatsangehörigen waren die Westbalkanstaaten sehr kooperativ. Dies hatte jedoch insbesondere mit dem EU-Beitrittsprozess und der Visafreiheit zu tun.
Neben den Westbalkanstaaten waren zu diesem Zeitpunkt die EU-Staaten sowie Ghana und Senegal als sog. „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft – beide schon seit Einführung des Konzepts im Jahr 1993. In beide Staaten finden Abschiebungen zwar statt, jedoch nur in geringem Umfang.
Die Möglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels für jede Art der Beschäftigung, wie sie für Personen aus den Westbalkanstaaten besteht, gibt es hier nicht. Dies gilt auch für Personen aus Georgien und der Republik Moldau, die im Jahr 2023 ebenfalls zu sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ bestimmt wurden.
06.08.2025
Autor*innen
Dieses Empfehlungspapier ist im Rahmen der bundesweiten AG Aufenthaltsverfestigung der WIR-Netzwerke entstanden. Die Empfehlungen basieren auf der Praxiserfahrung der Mitglieder der AG Aufenthaltsverfestigung. Sie geben nicht die Rechtsauffassung des BMAS oder der EU wieder.