Frankfurt, 17.06.2022
Flüchtlingsrat begrüßt Ankündigung von Landesaufnahmeprogramm
Landesregierung muss zeitnah Entwurf vorlegen
Umfassenden Abschiebungsstopp als Vorgriff auf neues Bleiberecht gefordert
Der Hessische Flüchtlingsrat begrüßt die Ankündigung des neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein, noch in diesem Jahr ein Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge auf den Weg zu bringen.
„Wir bekommen seit der Machtübernahme der Taliban vor knapp einem Jahr fast täglich Anfragen von hier lebenden Afghan:innen, die in großer Angst um ihre Angehörigen sind und die über die engen rechtlichen Möglichkeiten des Familiennachzugs keine Chance haben, diese nach Deutschland zu holen. Für diesen Personenkreis muss jetzt zügig ein Landesaufnahmeprogramm aufgelegt werden“, erklärte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates anlässlich des Internationalen Tags des Flüchtlings. „Mit jedem Tag, der vergeht, ohne dass das Programm beschlossen ist, sind die Menschen in Afghanistan weiterhin in akuter Gefahr vor Verfolgung durch die Taliban und ihre Angehörigen hier krank vor Sorge. Daher ist wirklich keine Zeit zu verlieren.“
Mit Unverständnis reagierte der Flüchtlingsrat auf den Verweis des Ministerpräsidenten auf Innenministerin Nancy Faeser, die ihre „bislang zurückhaltende Haltung gegenüber solchen Aufnahmeprogrammen“ aufgeben solle. Es ist zwar richtig, dass Landesaufnahmeprogramme zustimmungspflichtig durch die Bundesinnenministerin sind, doch der erste Schritt, nämlich die Vorlage eines solchen Programms, muss von Hessen ausgehen. Wenn die Landesregierung keine Vorlage macht, gibt es auch nichts, dem Frau Faeser zustimmen oder das sie ablehnen könnte. Eine ähnliche Argumentation gab es auch schon, als Horst Seehofer noch Innenminister war – doch ob er wirklich den Antrag einer schwarz-grünen Landesregierung abgelehnt hätte, bleibt für immer Spekulation, da es nie eine offizielles Ersuchen um Zustimmung gegeben hat. Auch hat sich Frau Faeser in der Vergangenheit als Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag wiederholt positiv in Bezug auf Landesaufnaheprogramme geäußert und die Landesregierung aufgefordert, solche aufzulegen.
„Wir sind optimistisch, dass es eine Zustimmung zu einem hessischen Landesaufnahmeprogramm durch die Bundesinnenministerin geben wird. Daher fordern wir die Landesregierung auf, jetzt schnell eine Vorlage zu erstellen, damit die Aufnahme beginnen kann“, forderte Scherenberg die Landesregierung auf.
Auch die Ankündigung eines Vorgriffserlasses für das geplante neue „Chancenaufenthaltsrecht“ ist ein positiver, wenn auch überfälliger Schritt. Andere Bundesländer haben schon länger solche Vorgriffserlasse herausgegeben, mit denen diejenigen, die vermutlich aufgrund der neuen Regelung eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können, bis zum Inkrafttreten vor Abschiebung geschützt werden sollen. Die Ampelparteien hatten im Koalitionsvertrag verabredet, dass Geduldete, die sich seit 5 Jahren in Deutschland aufhalten, ein so genanntes Chancenaufenthaltsrecht bekommen sollen, um die notwendigen Anforderungen an die Bleiberechtsregelungen zu erfüllen. In der vergangenen Woche wurde jetzt ein erster Referentenentwurf für das neue Gesetz vorgelegt. Bis zur Verabschiedung durch den Bundestag und Inkrafttreten des Gesetzes werden jedoch noch mehrere Monate vergehen.
„Wir erwarten jetzt einen umfassenden Abschiebungsstopp für diejenigen, die aller Voraussicht nach unter die Regelungen fallen werden. Es sind in den vergangenen Monaten schon zu viele Menschen aus Hessen abgeschoben worden, die eigentlich hätten davon profitieren können, wie beispielsweise die 13-jährige Yasaman, die nach 10 Jahren in Deutschland mit ihrer gut integrierten Familie in den Iran abgeschoben wurde“, so Scherenberg abschließend in Frankfurt.