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PE: Afghanistan-Charter im Lockdown

Presseerklärung: Afghanistan-Charter im Lockdown

Morgen erneut Sammelcharter nach Afghanistan

Auch Abzuschiebende aus Hessen dabei

9 Monate auf Bewährung: schwerer Straftäter?

Ganz Hessen ist im Lockdown, die Schulen geschlossen, in einigen hessischen Landkreisen darf man
sich nicht weiter als 15 km von der eigenen Wohnung wegbewegen. Trotzdem soll morgen erneut ein
Sammelcharter nach Afghanistan starten und einige Menschen unfreiwillig ins 5.000 km entfernte
Kabul bringen. Auch Hessen wird sich aller Voraussicht nach erneut mit einigen Abzuschiebenden an
dem Charter beteiligen.

„Wir halten Abschiebungen nach Afghanistan schon unter ‚normalen‘ Umständen für unverantwortlich
– dazu kommt jetzt auch noch der Winter und die Pandemie, von der Afghanistan nach Aussagen des
Auswärtigen Amtes besonders stark betroffen ist. Es ist wirklich unfassbar, welchen unbedingten
Abschiebewillen die Behörden hier an den Tag legen“, empörte sich Timmo Scherenberg,
Geschäftsführer des Flüchtlingsrates über das Vorgehen. „Wir fordern das Hessische Innenministerium
auf, Abschiebungen im Allgemeinen und nach Afghanistan im Besonderen bis auf Weiteres
auszusetzen.“

Laut schwarz-grünem Koalitionsvertrag sollen aus Hessen zwar „Straftäter und Gefährder“
abgeschoben werden können, aber wer genau unter diese Definition fällt, ist vom Innenministerium
leider bislang nicht konkretisiert worden – in der Öffentlichkeit wird jedoch so getan, als seien damit
nur schwere Straftaten gemeint. Die Praxis ist jedoch augenscheinlich eine andere: Ein junger Afghane,
der im zweiten Lehrjahr seine Ausbildung macht, sitzt derzeit im Ausreisegewahrsam in DarmstadtEberstadt. Er hat hervorragend Deutsch gelernt, sich integriert, eine Familie gegründet – und ist wegen
einer Schlägerei vor einigen Jahren zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden.
Nächsten Monat läuft die Bewährung aus.

„Das ist sicherlich niemand, der als der ‚schwere Straftäter‘ durchgeht, von dem die Behörden immer
behaupten, dass er abgeschoben werden muss. Ganz im Gegenteil: dort sitzt ein gut integrierter junger
Mann im Abschiebeknast, der wegen einer einzigen Schlägerei eine Bewährungsstrafe bekommen hat,
diese Bewährung sehr gut genutzt hat, sich integriert hat und eine Ausbildung begonnen hat. Wir
fordern das Innenministerium auf, diesen Fall dringend noch einmal zu überprüfen“, wandte sich
Scherenberg abschließend an das HMdIS.