Vertane Chance
Einigung auf eine Novellierung des Landesaufnahmegesetzes
Problem der Gebühren für die Unterbringung bleibt ungelöst
21.02.2020 – Die Einigung zwischen dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden auf eine Novellierung des Landesaufnahmegesetzes löst aus Sicht des Hessischen Flüchtlingsrates eines der drängendsten Probleme in der Integrationsarbeit vor Ort, die z.T. extrem hohen Gebühren für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, nicht. Stattdessen wird die mit der letzten Änderung des Gesetzes im Jahr 2017 eingeführte Satzungsermächtigung der Kommunen, durch die das Problem erst geschaffen wurde, fortgeschrieben.
„Wir bedauern, dass Landesregierung und kommunale Spitzenverbände mit dieser Einigung versäumt haben, die Fehlentwicklung durch die letzte Änderung des Landesaufnahmegesetzes zu korrigieren. Wir appellieren an die Regierungskoalition, diesen Punkt noch einmal zu überdenken und hoffen, dass sich im konkreten Gesetzgebungsverfahren hier noch eine sozialverträgliche Lösung finden lässt“, kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, die Einigung.
Durch diese Satzungsermächtigung wurde den Kommunen die Möglichkeit gegeben, per Satzung die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung in Gemeinschaftsunterkünften festzusetzen und sich die Kosten dafür von den Leistungsträgern erstatten zu lassen.
Allerdings wird diese Gebühr auch von Flüchtlingen erhoben, die zwar arbeiten, jedoch noch keine eigene Wohnung gefunden haben und daher noch in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen. Die Höhe der Gebühr ist in den verschiedenen Landkreisen und Kommunen unterschiedlich und beträgt im Rhein-Main-Gebiet zumeist zwischen 350,- und 400,- pro Person, wofür es oftmals lediglich ein Bett im Mehrbettzimmer gibt. Für Familien wird i.d.R. die Gebühr pro Person erhoben, wodurch eine Familie mit mehreren Kindern leicht auf eine Gebühr von 2.000 € für ein schlecht ausgestattetes Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft kommen kann – selbst auf dem überhitzen freien Wohnungsmarkt wären dies ein absurder Wucherpreis, würde er für eine „richtige“ Wohnung verlangt.
Es gibt wohl kein Thema, das bei den Flüchtlingsinitiativen vor Ort derzeit so viel Arbeit und Ärger bereitet wie das Thema Gebühren. Komplizierte Bescheide müssen den Betroffenen vermittelt, Berechnungen überprüft werden, z.T. häufen die Betroffenen Schulden an, welche den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft noch weiter erschweren. Auch wirkt sich die Gebühr negativ auf die Beschäftigung der Flüchtlinge aus, da es sich mitunter für die Betroffenen gar nicht loht, erwerbstätig zu sein, weil fast der komplette Lohn für die Unterbringungsgebühren abgezogen wird.
„Diese Gebühren sind integrationsfeindlich und werden von den Betroffenen auch als extrem ungerecht empfunden, da sie in keinem Verhältnis zur Qualität der Unterbringung stehen. Die Menschen wohnen ja nicht freiwillig in diesen äußerst prekären Unterkünften, sondern nur deshalb, weil sie auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance haben“, erläuterte Scherenberg. „Wir sprechen uns nicht dagegen aus, dass Menschen, die Geld verdienen, für die Unterbringung zahlen, wie alle anderen Menschen in diesem Land es auch tun müssen, aber es muss dem angemessen sein, was man dafür bekommt.“
Vor der Satzungsermächtigung von 2017 galt landeseinheitlich die Verteilungs- und Unterbringungsgebührenverordnung, wodurch eine Gebühr i.H.v. 194,- für ein Bett in einer Unterkunft erhoben wurde, für Familien gab es gestaffelte Beträge. Einzelne Landkreise wie der Landkreis Kassel oder der Kreis Bergstraße wenden diese Verordnung auch weiterhin für SelbstzahlerInnen an, die große Mehrheit der Kreise jedoch erhebt die Gebühren in voller Höhe, in einigen Kreisen gibt es unbestimmte Härtefallklauseln. Der Flüchtlingsrat hat sich in der Vergangenheit immer wieder dafür ausgesprochen, dass landeseinheitlich die Verordnung für SelbstzahlerInnen wieder eingeführt werden soll.
Die Gebühren betreffen sowohl anerkannte Flüchtlinge, die noch immer in den Unterkünften wohnen, weil sie noch keine Wohnung gefunden haben, als auch diejenigen, deren Asylverfahren noch läuft, die aber schon eine Arbeit aufgenommen haben. Gerade bei letztgenannten führt die Satzungsermächtigung sogar zu einer Doppelfinanzierung, da die Kommunen für diesen Personenkreis ja grundsätzlich die so genannte „große Pauschale“ vom Land bekommen in der auch die Kosten für die Unterbringung enthalten sind, und dann zusätzlich noch die Gebühren von den arbeitenden Asylsuchenden erhoben werden.