Hessen hinten bei der Flüchtlingsunterbringung
15.10.2020 – Weniger als ein Drittel der LeistungsbezieherInnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Hessen sind dezentral untergebracht, damit liegt Hessen im Vergleich der Bundesländer ganz hinten. Dies geht aus den heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum AsylbLG hervor. Da in der Statistik diejenigen Flüchtlinge, die zwar schon anerkannt sind, aber noch nicht aus den Unterkünften ausziehen konnten, nicht erfasst sind, wird die Anzahl der in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Flüchtlinge noch deutlich über den jetzt veröffentlichten Zahlen liegen.
„Diese Zahlen sind natürlich fatal“, kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, die Statistik. „Schon in normalen Zeiten ist die vorrangige Unterbringung in Großunterkünften integrationspolitisch eine sehr schlechte Idee, in Pandemiezeiten schlicht eine Katastrophe. Hier besteht dringend Handlungsbedarf auf allen Ebenen.“
Immer wieder werden in Hessen ganze Unterkünfte unter Quarantäne gestellt, derzeit beispielsweise die Erstaufnahmeeinrichtung mit über 300 BewohnerInnen in Kassel, von denen über ein Drittel bereits infiziert ist. Auch das Ärzteteam vor Ort beklagt, dass durch die Art der Unterbringung Hygienemaßnahmen einfach nicht umzusetzen sind. In sehr vielen der Gemeinschaftsunterkünfte und Erstaufnahmeeinrichtungen sind Mehrbettzimmer, die sich mit Fremden geteilt werden, und gemeinsam genutzte Bäder und Küchen die Regel.
Da wir am Anfang der zweiten Pandemie-Welle stehen, müssen jetzt schnell Maßnahmen ergriffen werden. Erstens muss die Situation in den Unterkünften entzerrt werden. Hierfür können z.B. Jugendherbergen, Ferienwohnungen oder leerstehende Hotels genutzt werden. Hierbei sollte das Land Hessen die Kommunen unterstützen, wie es beispielsweise Thüringen getan hat. Zweitens braucht es zeitnah ein Konzept auf Landesebene, wie Flüchtlinge schneller in Wohnungen untergebracht werden können. Die kann und sollte auch über das Landesaufnahmegesetz geschehen, welches gerade im Landtag novelliert wird. Zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung gibt es auch einen Änderungsantrag der Opposition, der beispielsweise vorsieht, dass die Flüchtlingsunterbringung vorrangig in Wohnungen stattfinden soll. Drittens muss, sofern noch Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften erfolgt, diese aus integrationsgründen zeitlich auf maximal ein Jahr begrenzt werden. Und Viertens muss die unsinnige innerhessische Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge gestrichen werden, da sie vor allem dazu führt, dass v.a. Flüchtlinge in den Städten, die sich eigentlich aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen dürften, dies nicht können, weil sie nur innerhalb der Kommune umziehen dürfen.
„Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist eine schlicht integrationsfeindliche Maßnahme. Es ist klar, dass in vielen Kommunen großer Mangel an Wohnraum herrscht, und auch die Betroffenen können sicherlich damit leben, wenn als Notmaßnahme am Anfang des Aufenthaltes nur eine Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung steht. Aber wenn Menschen jahrelang in diesen Einrichtungen wohnen müssen, ist das nichts anderes als staatlich verordnete Desintegrationspolitik, da so ein eigenständiges Leben auf Jahre hinaus verhindert wird. Andere Bundesländer zeigen, dass es deutlich besser geht“, erklärte Scherenberg abschließend in Frankfurt.