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Referentenentwurf zum GEAS Umsetzungsgesetz sieht drastische Asylrechtsverschärfungen vor

Das BMI hat einen Referentenentwurf zum GEAS-Umsetzungsgesetz vorgelegt. Durch dieses Gesetz sollen die neuen, auf EU-Ebene beschlossenen Regeln des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) in das deutsche Recht implementiert werden. Dieses wird sehr weitreichende Folgen auch für das deutsche Asylsystem beinhalten, sehr viele bislang geltende Regelungen werden neu gefasst, entfallen oder durch andere ersetzt.

Leider wird das neue AsylG, sofern es denn so verabschiedet werden sollte, noch deutlich unleserlicher und komplizierter zu verstehen als es jetzt schon ist, insbesondere da in vielen Fällen einfach auf die entsprechende EU-Verordnung verwiesen wird, ohne im Gesetz selbst auszuführen, worum es genau geht. So heißt es im Entwurf des neuen § 3 AsylG beispielsweise zur Flüchtlingseigenschaft und dem subsidiären Schutz lapidar:

„Die Zuerkennung des internationalen Schutzes richtet sich hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1347 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status subsidiären Schutzes nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 2024/1347.“

Sämtliche Definitionen, wer unter welchen Voraussetzungen diesen Schutz bekommt, stehen nicht mehr im Gesetz selbst, sondern diese muss man dann in den GEAS-Verordnungen selbst nachlesen (hier sind sie alle verlinkt). Dies zieht sich so durch das ganze Gesetz. Gleichzeitig werden auch Verschärfungen vorgenommen, die nicht durch europäisches Recht zwingen vorgegeben sind bzw. es werden entsprechende Spielräume eher restriktiv als positiv genutzt.

Die Stellungnahmen der Verbände fallen entsprechend kritisch aus, nachfolgend diejenigen des Paritätischen und von PRO ASYL exemplarisch direkt verlinkt, unter dem Referentenentwurf auf der Seite des BMI finden sich noch viele weitere Stellungnahmen.

Nachfolgend die Weiterleitung einer Presseerklärung von Pro Asyl zum Gesetzentwurf:

PRO ASYL kritisiert: Innenministerium plant unter dem Deckmantel der GEAS-Umsetzung massive Verschärfungen im Asylrecht

24.10.2024

PRO ASYL verurteilt den vom Bundesinnenministerium vorgelegten Referentenentwurf zum GEAS-Umsetzungsgesetz. Dieser Entwurf zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Deutschland bedroht grundlegende Menschen- und Flüchtlingsrechte.

Besonders alarmierend sind die weitreichenden Verschärfungen bei Freiheitsbeschränkungen und Inhaftierungen von Schutzsuchenden, darunter auch von Kindern. PRO ASYL fordert eine umfassende Überarbeitung des Entwurfs, um den Schutz von Geflüchteten sicherzustellen.

„Wir stehen vor einem Rückschritt für den Schutz geflüchteter Menschen in Deutschland, grundlegende Menschen- und Flüchtlingsrechte werden weiter beschnitten. Der vorliegende Entwurf geht weit über das hinaus, was die GEAS-Reform verlangt, und setzt auf eine unnötige Verschärfung des deutschen Asylrechts“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Statt auf eine „Minimalumsetzung“ der EU-Vorgaben setzt der Referententwurf auf nicht notwendige Verschärfungen, „denen zum Teil verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Bedenken entgegenstehen“, heißt es in der Stellungnahme zum Referentenentwurf, die PRO ASYL beim Innenministerium eingereicht hat.

Geschlossene Zentren und Inhaftierung von Schutzsuchenden in Deutschland

Der Referentenentwurf sieht umfangreiche Möglichkeiten vor, die Freiheit von Schutzsuchenden zu beschränken und sie zu inhaftieren. Es drohen neue geschlossene Zentren, wie sie in Deutschland bisher nicht bekannt sind. Schutzsuchende dürften dann ihre Unterbringungseinrichtung nicht verlassen, zum Teil nur, weil sie aus einem bestimmten Herkunftsland kommen.

Auch Kinder könnten in Haft kommen

Besonders besorgniserregend ist auch die geplante neuartige Asylverfahrenshaft, die auch Kinder betreffen könnte. „Es ist unerträglich, dass Deutschland nun ernsthaft in Erwägung zieht, Kinder während ihres Asylverfahrens wie in einem Gefängnis einzusperren. Dabei hatte die Bundesregierung beteuert, gerade solche Zustände verhindern zu wollen. Die Regelung zur neuen Asylhaft muss umgehend gestrichen werden“, sagt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Faire Asylverfahren sind nach der Erfahrung von PRO ASYL unter Haftbedingungen nicht möglich, zudem sind sie für die Betroffenen oft retraumatisierend und eine hohe psychische Belastung.

Ausweitung der Grenzverfahren geplant

Auch die von der EU geplanten Asylverfahren an den EU-Außengrenzen stellen einen massiven Einschnitt in Flüchtlingsrechte dar. Menschen, die an den EU-Außengrenzen Asyl beantragen, sollen unter der Fiktion der Nicht-Einreise festgehalten werden. Diese Verfahren, die auch das bisherige deutsche Flughafenverfahren ersetzen werden, können bis zu zwölf Wochen dauern. Für Asylsuchende im Außengrenzverfahren gelten die neuen Regeln zur Freiheitsbeschränkung und Inhaftierung in jedem Fall.

Und selbst hier will die Bundesregierung noch über die europäischen Verschärfungen hinausgehen: Der deutsche Entwurf sieht vor, das Grenzverfahren auf weitere optionale Fälle auszuweiten.

Ausweitung der „sicheren Staaten“-Konzepte unter Umgehung demokratischer Prozesse

Sehr problematisch ist auch die geplante Ausweitung der Konzepte der „sicheren Herkunftsstaaten“ und der „sicheren Drittstaaten“. Diese sollen künftig per Rechtsverordnung der Bundesregierung, also ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, bestimmt werden können. Eine solche Umgehung des demokratischen Prozesses ist höchst bedenklich. Bisher hat sich gerade der Bundesrat als wichtige Instanz erwiesen, um voreilige Einstufungen zu verhindern. So hat er zum Beispiel verhindert, dass Marokko und Tunesien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. PRO ASYL lehnt eine Einstufung von Ländern als „sicher“ als Beschränkung des Rechts auf ein faires Asylverfahren grundsätzlich ab.

Menschenrechte müssen im Fokus stehen

PRO ASYL fordert eine grundlegende Überarbeitung des GEAS-Umsetzungsgesetzes. Deutschland muss bei der Umsetzung der GEAS-Reform menschenrechtliche Standards wahren und den Schutz geflüchteter Menschen in den Mittelpunkt stellen. Statt auf neue Haftformen und Freiheitsbeschränkungen zu setzen, sollte der bestehende Spielraum genutzt werden, um faire und sorgfältige Asylverfahren unter menschenwürdigen Bedingungen zu gewährleisten.

Bereits im Juli hatte PRO ASYL gemeinsam mit 25 anderen Organisationen Vorschläge für eine menschenrechtskonforme Umsetzung der GEAS-Reform gemacht.